Atropa belladonna, Tollkirsche
Belladonna, die Tollkirsche, ist wahrscheinlich neben Arnika und Chamomilla und ebenso wie Aconit eines der am häufigsten verwendeten Mittel in der Homöopathie. Haupteinsatzgebiete sind akute, plötzlich auftretende Infekte mit hohem Fieber. Nun gibt es ja einige Mittel in der Homöopathie, die bei akuten fieberhaften Erkrankungen eingesetzt werden. Gerade wenn man beginnt, sich mit Homöopathie zu beschäftigen, ist es nicht ganz einfach, die verschiedenen Mittel zu unterscheiden.
Aconit, das ich im Blogbeitrag im Januar vorgestellt habe und Belladonna sind wahrscheinlich die beiden Mittel, die Anfänger*innen in der Homöopathie am meisten verwirren. Zumindest in meinen Kursen zur Akutbehandlung taucht die Frage der Differenzierung häufig auf. Ich erinnere mich an meine Ausbildung in der Akademie für Homöopathie in Gauting, als einer meiner Mitschüler den Dozenten ganz verzweifelt fragte: “ Ja und wie entscheid i mi denn dann, ob i Aconit oder Belladonna geb?“ und der Dozent ganz trocken meinte: „Da rufsts halt die Auskunft an!“ – damals konnte man tatsächlich noch die Auskunft anrufen, heute würde die Antwort wahrscheinlich lauten: „Da fragst halt Google!“- Ganz zufrieden war mein Mitschüler verständlicherweise nicht mit dieser Antwort.
Doch zuerst einmal zu Belladonna.
Der Name
Der Name kommt von der Wirkung des in der Tollkirsche enthaltenen Atropins auf die Augen – die Pupillen erweitern sich. Weite Pupillen signalisieren Zugewandtheit, Interesse, und auch bei sexueller Erregung erweitern sich die Pupillen. Auf diese Signale reagieren wir unbewusst – und finden den Menschen mit weiten Pupillen schöner, attraktiver und interessanter, als wenn die Pupillen verengt sind. So kam es, dass diese verführerische Wirkung genutzt wurde, um eine bella donna, also eine schöne Frau zu werden.
Und damit haben wir schon ein Symptom, dass man eventuell bei einem Zustand findet, bei dem Belladonna eigesetzt werden kann, nämlich die erweiterten Pupillen, z.B. im Fieber.
Der lateinische Name Atropa belladonna weist auf die griechische Göttin Atropos hin, eine der drei griechischen Schicksalsgöttinnen. Atropos Aufgabe ist es, den Lebensfaden abzuschneiden, also den Zeitpunkt des Todes zu bestimmen.
Die Pflanze
Die ganze Tollkirschpflanze ist sehr stark giftig, schon durch die Berührung kann man sich vergiften. Die stärkste Konzentration von Giftstoffen findet sich in den Früchten, die schwarz sind und verführerisch glänzen. 10 bis 12 davon sind für einen Erwachsenen tödlich. Der Tod erfolgt durch Atemstillstand. Neben Atropin enthält Belladonna u.a. Hyoscyamin und Scopolamin, die alle zu den Alkaloiden gezählt werden.
Die Tollkirsche wirkt halluzinogen und war in früheren Zeiten auch Bestandteil von Hexen- oder Flugsalben. Belladonna gehört zu den Ritualpflanzen der vorchristlichen Zeit. Ein wichtiger Bestandteil des Glaubens in vorchristlichen Kulturen war die Verehrung der Göttin in dreifacher Form, die sich im botanischen Namen findet.
Medizinisch wurde die Tollkirsche seit der Antike verwendet, als Schmerz- und Narkosemittel und zur Behandlung von psychischen Erkrankungen, was naheliegt, wenn man die Wirkung der Giftstoffe auf die Psyche berücksichtigt.
Der Ausgangsstoff in der Homöopathie
In der Homöopathie wird als Ausgangsstoff eine Tinktur aus der ganzen Pflanze zu Beginn der Blüte verwendet. Belladonna war eines der ersten Mittel, die Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, verdünnt einsetzte. Er behandelte damit Scharlach im Anfangsstadium, auch heute noch eine der Indikationen für Belladonna.
Indikationen:
Fieberhafte Infekte, akute Entzündungen z.B. von Mandeln, Gallenblase, Harnblase, Atemwegen, Folgen von intensiver Sonneneinstrahlung, Zahnungsbeschwerden bei Kindern, Migräne, Nervenschmerzen u.v.m.
Typisch für akute Erkrankungen, bei den Belladonna indiziert ist:
- Plötzlichkeit: plötzlicher Beginn, Schmerzen kommen und gehen plötzlich, kommen dann plötzlich wieder
- Hitze: hohes Fieber, Entzündungen mit Gefühl von Hitze, heißer Kopf
- Röte: roter Kopf bei Fieber, gerötete entzündete Wunden
- Brennen: brennende Schmerzen, Gefühl von Brennen in betroffenen Organen, z.B. Hals, Magen, Gallenblase, Harnblase
- Klopfen: klopfende Schmerzen, z.B. Kopfschmerzen, entzündete Wunden
- Überempfindlichkeit: z.B. auf Licht, Geräusche, Erschütterung, Berührung, Luftzug
Wie unterscheide ich Aconit und Belladonna bei akuten Erkrankungen?
Zunächst einmal die Gemeinsamkeiten der beiden Mittel:
- plötzlicher Beginn
- rasch ansteigendes hohes Fieber
- Indikationen: grippale Infekte, Harnwegsinfekte, neuralgische Schmerzen, akute Entzündungen, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen und weitere Indikationen
und jetzt die Unterschiede, bei denen man in die Details der homöopathischen Mittel gehen muss:
Auslöser:
- Aconit: kalter Wind, Schreck, Schock, trockene Kälte
- Belladonna: kalter Luftzug, v.a. am Kopf, Kälte allgemein, eher feuchte Kälte
Ängste:
- Aconit: Furcht, zu sterben
- Belladonna: vor Gespenstern, Geistern, unheimlichen Gestalten, fühlt sich bedroht
Schlaf:
- Aconit: Schlaflosigkeit, Unruhe, mit Angst
- Belladonna: wie betäubt, schreckt immer wieder mit Halluzinationen auf
Kopfschmerzen:
- Aconit: heftig, mit Angst, mit Herzbeschwerden
- Belladonna: klopfend, hämmernd, pulsierend, mit klopfender Halsschlagader
Augen:
- Aconit: starr, verengte Pupillen, trockene Augen
- Belladonna: große Pupillen, entzündete Augenlider. lichtscheu, Tränenfluss
Seitenbezug:
- Aconit: eher rechtsseitig
- Belladonna: eher linksseitig
Durst:
- Aconit: viel Durst auf kaltes Wasser
- Belladonna: durstlos im Fieber, trinkt tröpfchenweise
Fieber:
- Aconit: Kälte und Hitze wechseln sich ab, Kältewellen im Fieberanstieg, Frieren beim Aufdecken, ruhelos, trockene Hitze, roter Kopf beim Fieber
- Belladonna: glühendheiß, oft kalte Füße und heißer Körper, strahlt Hitze ab, Fieber mit Halluzinationen, schlapp, apathisch, dampfender Schweiß der bedeckten Körperteile, trockener heißer roter Kopf
Fazit:
So, das waren die wichtigsten Unterscheidungssymptome. Tatsächlich orientiere ich mich am meisten an den sogenannten Gemütssymptomen: also bei den beiden Mitteln konkret daran, ob der/die Erkrankte z.B. eher unruhig und ängstlich oder eher benommen, schlapp oder halluzinierend ist.
Das ist nach meiner Erfahrung sicherer, als sich an einzelnen Symptomen wie Durst oder nicht-Durst, Schmerz rechts oder links usw. festzhalten. Und natürlich ist das eine Erfahrungssache, wenn man einige Male die verschiedenen Zustände erlebt hat, wird es einfacher. Wie bei allem, was man erlernt: Übung macht die Meisterin!