Eine „wunderbare“ Übung aus der lösungsorientierten Kurztherapie ist die Wunderfrage. Sie entstand zufällig, als die beiden Therapeut:innen Insoo Kim Berg und Steve de Shazer mit einem Klienten arbeiteten. Dieser war so verzweifelt über sein Problem, dass er äußerte, dass da nur noch ein Wunder helfen könne. Insoo Kim Berg griff diese Äußerung auf und so entwickelte sich die bekannte Wunderfrage.
Das Spannende an der Wunderfrage ist, dass sie sehr schnell zu einer völlig neuen Sicht auf ein Problem oder eine Schwierigkeit führen kann. Dadurch, dass man sich ein Wunder vorstellt, schafft man Raum für Möglichkeiten, die zuvor einfach nicht denkbar waren. Denkt man aber das vorher Undenkbare, kann das schon der erste Schritt zur Verwirklichung sein.
Die Wunderfrage lautet so:
Stell dir vor, dass heute nacht, während du schläfst, ein Wunder geschieht und dein Problem/ deine Probleme gelöst werden. Da dies aber nachts geschieht, während du schläfst, weißt du nichts davon. Wenn du dann morgen aufwachst, wie würdest du merken, dass das Wunder geschehen ist?
Jetzt kann man anfangen, ganz konkret zu fragen:
- Was würdest du tun? Was würdest du anders tun als bisher?
- Was würdest du denken? Was würdest du anders denken als bisher?
- Wie würdest du dich fühlen? Wie genau würdest du dich anders fühlen als bisher?
Man kann den Blick auch auf andere Menschen erweitern:
- Wer würde es bemerken, dass das Wunder geschehen ist?
- Was würde der/die andere bemerken?
- Wie würde der/die andere reagieren?
Allein schon das Stellen der Fragen schafft den Raum, Möglichkeiten zu erkennen und den Weg hin zu Lösungen zu finden.
Ich selber kam das erste Mal mit der Wunderfrage in Berührung, als ich an einem ausweglosen Punkt in meinem Leben angelangt war. Zumindest kam es mir damals so vor. Meine Gedanken kreisten ständig um dieses eine Problem, ich war in einer „Problemtrance“ und wurde immer verzweifelter. Ein befreundeter Psychotherapeut bot mir eine Krisensitzung an und dort erlebte ich die Wunderfrage. Diese eine Sitzung hat sich mir nachhaltig eingeprägt. Ab dieser Stunde ging es mir tatsächlich besser. Ich konnte mich von dem Problem lösen und entdeckte neue Handlungsmöglichkeiten. Tatsächlich waren manche der Schritte, die ich dann ging, so einfach, dass ich mich im Nachhinein fragte, wie es sein konnte, dass mir das vorher nicht möglich war. Aber es war offensichtlich so, dass sich in dieser Problemtrance mein Denken so verengt hatte, dass ich nichts anderes mehr sehen konnte. Und dank der Wunderfrage öffnete sich mein Geist und damit auch mein Handeln und Erleben hin zu neuen Möglichkeiten.
Wo steckst du fest?
Welches Problem erscheint dir unlösbar, zu groß, aussichtslos?
Was wäre, wenn über Nacht ein Wunder geschähe und du morgen aufwachen würdest und dein Problem wäre gelöst?
Woran würdest du es erkennen? Was wäre anders?