Die Tage sind kurz, es ist kalt und oft neblig-trüb und die Sonne lässt sich gefühlt oder in Wirklichkeit wochenlang nicht blicken. Es gibt Menschen, die diese Zeit nutzen, um es sich daheim kuschelig und gemütlich zu machen und den Rückzug zu genießen. Und es gibt Menschen, die dieser Zeit schon im Sommer mit Beklemmung entgegensehen und froh sind, wenn im Frühling die Tage wieder länger und heller werden.
Wer das kennt, leidet vielleicht unter dem sogenannten Winterblues.
Was versteht man unter Winterblues und welche Symptome können sich zeigen?
Wenn die Stimmung in der dunklen Jahreszeit tageweise schwankt und es auch immer wieder Zeiten ohne Stimmungstief gibt, kann man vom Winterblues sprechen. Typische Symptome sind:
- Antriebslosigkeit
- Stimmungstiefs
- Müdigkeit trotz ausreichend Schlaf
- Vermehrtes Verlangen nach Süßem und Kohlenhydraten
- Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren
Diese Symptome verschwinden oft von selbst, sobald die Tage wieder länger werden und mehr Sonnenlicht vorhanden ist. Dennoch können sie im Alltag belastend sein.
Und sollten die Symptome über 2 Wochen am Stück anhalten, könnte es sich um eine saisonal abhängige Depression, auch Winterdepression genannt, handeln. Dann sollte man unbedingt Hilfe beim Hausarzt oder bei der Fachärztin suchen.
Was steckt hinter dem sogenannten Winterblues?
Vielleicht beruhigt es dich zu wissen, dass hinter diesen Symptomen ein ursprünglich evolutionär sinnvolles Verhalten steckt. Bevor wir Menschen in der industrialisierten Welt uns durch isolierte, beheizte Häuser, elektrisches Licht und ständig verfügbare Nahrungsmittel unabhängig von den Jahreszeiten machten, gehörte es zu einem natürlichen Lebensrhythmus, im Winter sparsam mit seiner Energie und den verfügbaren Ressourcen umzugehen. Mehr zu schlafen, sich weniger zu bewegen und mehr zu essen, wenn Essen verfügbar war, waren Strategien, um den Winter in Regionen, in denen es ausgeprägte Jahreszeiten gibt, zu überleben.
Unser heutiger Lebensstil verlangt dagegen von uns, unabhängig von den Jahreszeiten einfach „durchzufunktionieren“. Die Anforderungen im Berufsleben sind das ganze Jahr über gleich hoch, Phasen vermehrter Aktivität und dann wieder längere Ruhepausen sind in den wenigsten Berufsfeldern vorgesehen.
Strategien für einen entspannten Winter
Was kannst du selbst tun, um gut gelaunt und entspannt durch den Winter zu kommen?
Hier ein paar Tipps:
Tageslicht
Gaaanz wichtig! Am besten vormittags oder um die Mittagszeit raus an die frische Luft! Selbst an trüben Tagen ist es draußen deutlich heller als drinnen.
Wenn wir wenig Tageslicht bekommen, unterscheidet der Körper nicht mehr richtig zwischen Tag und Nacht. Wir werden nicht richtig wach und sind tagsüber schläfrig und müde. Abends haben wir aber auch oft Schwierigkeiten, in einen erholsamen Schlaf zu finden. Die Tage und Nächte verschwimmen und fühlen sich leer und öde an.
Morgens oder über die Mittagszeit raus zu gehen hilft dem Organismus, einen deutlichen Tag-Nacht-Rhythmus beizubehalten und so frisch und aktiv zu bleiben.
In diesem Blogbeitrag „Licht!“ findest du noch mehr Infos zu den Auswirkungen von Licht auf unseren Körper und die Psyche.
Und im Winter draußen zu sein kann einen besonderen Reiz haben. Die Silhouetten der kahlen Bäume gegen die untergehende Sonne, das leuchtende Grün von Moos im Winterwald, das Licht, das durch den Nebel bricht, das alles verleiht der Natur im Winter einen besonderen Zauber. Das Gefühl von Verbundenheit mit der Natur kann eine wirkungsvolle Hilfe gegen Winterblues sein.
Soziale Kontakte
Auch wenn es im Winter schwerer fällt, sich aufzuraffen und Freund*innen zu treffen, es ist einfach unglaublich wichtig. Wenn wir mit geliebten und vertrauten Personen zusammen sind, sinken unsere Stresshormone, die Aktivität in der Amygdala, unserem Alarmzentrum im Gehirn verringert sich, die Ausschüttung von Oxytocin wird angeregt. Oxytocin wiederum fördert unter anderem das Vertrauen in andere Personen und erhöht unsere Empathiefähigkeit. Ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit stellt sich ein, ein wunderbares Gegenmittel gegen den Winterblues.
Bewegung und Sport
Regelmäßiger Sport kann die Stimmung und den Antrieb verbessern und Angstsymptome lindern. Das wichtigste dabei ist nicht die Sportart, sondern dass die körperliche Anstrengung Spaß macht. Yoga, Joggen, Krafttraining, Schwimmen, Ballsport, jede Sportart hat ihre spezifischen Vorteile. Welche jeweils passt, ist sehr individuell.
Bewegt man sich draußen, kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Bewegung und Tageslicht. Hat man aber mehr Freude am Indoorsport, vielleicht noch mit Freund*innen im Verein, kombiniert man Bewegung mit sozialen Kontakten – auch das eine Win-Win-Situation.
Sport verbessert die Einstellung zum eigenen Körper. Menschen, die regelmäßig Sport machen, empfinden mehr Wohlwollen gegenüber ihrem Körper – auch das kann ein lohnendes Ziel sein.
Regelmäßig Sport zu treiben kann helfen, den Schlaf zu verbessern. Spannungen werden durch die Bewegung abgebaut, Stresshormone sinken und das kann sich positiv aufs Ein- und Durchschlafen auswirken.
Sport hat also viele Vorteile. Und wenn man sich zu erschöpft oder zu müde fühlt um sich zu Bewegung aufzuraffen? Da kann es helfen, sich kleine Schritte vorzunehmen und davon ausgehend mehr und mehr in Bewegung zu kommen. 10 Minuten raus zu gehen und eine kleine Runde um den Block zu drehen, das fühlt sich vielleicht machbar an. Und wenn man dann merkt, wie gut diese kleine Bewegungseinheit getan hat, fällt es leichter, dran zu bleiben und die Aktivitäten schrittweise zu erweitern.
Heilpflanzen
Es gibt einige Heilpflanzen, die stimmungsaufhellend und ausgleichend wirken.
Allen voran hat sich im Winter das Johanniskraut bewährt. Johanniskraut ist die klassische Lichtpflanze, die das Strahlen der Sonne in die Dunkelheit bringt. Mehr zum Johanniskraut und seiner Anwendung findest du hier.
Lavendel wirkt beruhigend, entspannend und angstlösend. Es kann in Form von Tee, als standartisiertes Fertigarzneimittel oder als ätherisches Öl angewendet werden.
Stehen Ein- und Durchschlafprobleme im Vordergrund, können Hopfen, Baldrian und Passionsblume helfen. Auch hier gibt es die Einnahmemöglichkeit als Tee oder als standartisierte Fertigarzneimittel.
Auch die sogenannten Adaptogene, wie z.B. Ginseng, Rosenwurz und die Taigawurzel sind einen Versuch wert. Adaptogene stärken den Organismus bei Belastungen und der Lichtmangel in den Wintermonaten kann eine solche Belastung sein.
Ein starkes Immunsystem
Das nasskalte Klima im Winter kann zu Erkältungen führen. Schon bevor die Erkältung ausbricht, wird das Immunsystem aktiv und produziert vermehrt bestimmte Botenstoffe. Diese wiederum können dazu führen, dass Botenstoffe des Gehirns ungünstig beeinflusst werden und so depressive Symptome auftreten können.
Daher ist es wichtig, ein starkes Immunsystem, das Erkältungskrankheiten frühzeitig und effektiv bekämpft, zu fördern. In diesem Blogbeitrag „Ein starkes Immunsystem“ findest du hilfreiche Tipps dazu. Gerade der Tipp zur Ernährung und Darmgesundheit ist wichtig beim Winterblues, da die Psyche durch das Darmmikrobiom beeinflusst wird.
Vitamin D
Über Vitamin D könnte man einen eigenen Blogbeitrag schreiben, so viel gibt es dazu zu sagen.
Im Zusammenhang mit dem Winterblues ist es wichtig zu wissen, dass Vitamin D ein Faktor bei der Entstehung von Winterblues oder einer saisonal abhängigen Depression spielen kann. Vitamin D wird in der Haut unter Sonneneinstrahlung bzw. Einstrahlung der UVB Strahlen des Sonnenlichts vom Körper selbst gebildet. Im Winter kann es durch den Lichtmangel zu einem Vitamin D Mangel kommen. Da Vitamin D die Produktion des Botenstoffs Serotonin unterstützt, ist es wichtig, einen ausreichend hohen Vitamin D Spiegel im Blut zu haben. Das kann durch einen Bluttest festgestellt werden.
Klassische Homöopathie
Mit sorgfältig ausgewählten Einzelmitteln aus der Klassischen Homöopathie kann die Stimmung und die Energie positiv beeinflusst werden. Eine Behandlung des Winterblues sollte aber nicht in Eigenregie erfolgen, sondern durch eine gut ausgebildete Homöopathin oder einen gut ausgebildeten Homöopathen. Bei der Stiftung Homöopathie Zertifikat sind zertifizierte Therapeuten aufgelistet, ebenso beim DZVHÄ, dem homöopathischen Ärzteverband.
Achtung: Wenn die Symptome des Winterblues länger als 2 Wochen anhalten, hol dir Hilfe! Beim Hausarzt, der Hausärztin, einer Psychotherapeutin, einem Psychotherapeuten oder der Telefonseelsorge, kostenlos erreichbar unter 08001110111 oder 08001110222. Das muslimische Seelsorgetelefon ist rund um die Uhr unter 030 443509821 erreichbar.
Weiterlesen: Hubertus Himmerich, Winterblues, Das Wohlfühlbuch gegen die Herbst- und Winterdepression, Kreuz Verlag, 2014