Symphytum officinale
Beinwellsalbe durfte früher in keiner Hausapotheke fehlen. Wenn der Rücken schmerzte und die Gelenke wehtaten, kam sie zum Einsatz. Inzwischen ist Beinwell gut untersucht und hat sich beispielsweise in einer Studie mit verletzten Sportlern sogar als leicht überlegen gegenüber der sonst üblichen Standardtherapie erwiesen. Ein weiteres Beispiel für die Schätze aus der Natur, die uns häufig begegnen und derer wir uns inzwischen oft nicht mehr bewusst sind.
Name
Der deutsche Name Beinwell ist ein Hinweis auf ein wichtiges Einsatzgebiet der bewährten Heilpflanze, nämlich Verletzungen von Knochen und Knochenhaut. Das Wort Bein stammt aus dem Mittel- und Althochdeutschen und bedeutet Knochen. Das englische Wort Bone hat dieselbe Wurzel. Wellen oder wallen bedeutete im Mittelhochdeutschen zusammenwachsen und heilen. Beinwell bedeutet also Knochenheiler.
Der in der Botanik verwendete Name Symphytum officinale kommt aus dem Griechischen. Symphyein bedeutet zusammenwachsen, während officinale darauf hinweist, dass die Pflanze arzneilich verwendet wurde. (Officina ist ein lateinisches Wort und bedeutet Herstellungsraum, Fabrik. Der Laborraum einer Apotheke wurde und wird noch zum Teil als Offizin bezeichnet.)
Beschreibung
Beinwell ist eine Staude, die bis zu 1,50 Meter hoch werden kann. Sie ist borstig behaart, die Blätter sind lang, eilanzettlich geformt und verschmälern sich zum Ende hin. Die Blüten sind glockenförmig, herabhängend und von rosa bis rotvioletter oder gelblichweißer Farbe. Die Wurzel, die hauptsächlich medizinisch verwendet wird, ist im oberen Teil stark verzweigt und fleischig. Die Wurzelhaut ist hellbraun bis bräunlich-schwarz, das Innere weißlich-gelb und sehr schleimig.
Wurzelstücke von Beinwell, von hellbraun bis zu fast schwarz
Wo wächst Beinwell?
Die Pflanze findet man auf feuchten Wiesen und Bach- und Flussufern. Sie kommt im gemäßigten Europa, Asien und Teilen Nordamerikas vor.
Zu welcher Familie gehört Beinwell?
Beinwell gehört zu den Raublattgewächsen, den Boragaginaceae. Die bekannte Gewürz- und Heilpflanze Borretsch ist ein weiteres Mitglied dieser Familie. Auch Borago officinalis, so der botanische Name des Borretsch, kann als Heilpflanze verwendet werden.
Borretschblüten, auch hier ist die Behaarung, die typisch ist für die Raublattgewächse, deutlich zu sehen.
Wie wirkt Beinwell?
Beinwell wirkt u.a. schmerzlindernd, entzündungshemmend, abschwellend, zusammenziehend, juckreizlindernd. Er fördert die Zellerneuerung und die Zellregeneration.
Bei welchen Beschwerden wird Beinwell eingesetzt?
- bei Knochenbrüchen, Beinwell regt die Kallusbildung an, also neues Knochengewebe, das den Spalt beim gebrochenen Knochen überbrückt und so dazu beiträgt, das die gebrochenen Knochen wieder schnell und gut zusammenwachsen
- bei Hämorrhidalerkrankungen äußerlich als Sitzbad oder Salbenauflage, fördert die Wundheilung, wirkt abschwellend, lindert Schmerzen und hemmt die Entzündung
- bei entzündlich-degenerativen Gelenkerkrankungen äußerlich als Salbe oder als Packung mit angerührtem Beinwellwurzelpulver oder als Breiumschlag aus der frischen Wurzel
- bei unblutigen stumpfen Verletzungen wie z.B. Quetschung, Verstauchung, Prellung, Zerrung
- bei typischen Sportverletzungen
- bei Sehnenscheiden- und Schleimbeutelentzündung
- bei Krampfadern und Venenentzündung
- bei Muskelkater
- bei unspezifischen Rücken- und Gelenkschmerzen
- bei geschlossenen Wunden zur Unterstützung einer komplikationslosen Narbenbildung, zur Behandlung von geschlossenen Operationsnarben
- bei Amputationsschmerzen, zur Behandlung des geschlossenen Amputationsstumpfes
- bei Beschwerden des Zahnfleisches und der Mundschleimhaut
Welche Wirkstoffe finden sich in Beinwell?
Allantoin, Schleimstoffe, Gerbstoffe, Kieselsäure, Triterpensaponine, Phenolcarbonsäure wie z.B. Rosmarinsäure, Pyrrolizidinalkaloide.
- Vor allem das Allantoin macht den Beinwell interessant: Allantoin wirkt beruhigend auf die Haut. Es fördert die Zellneubildung, den Zellaufbau und die Zellregeneration. Bei Knochenbrüchen fördert es die Bildung von neuem Knochengewebe und erhöht so die Wahrscheinlichkeit einer schnellen und komplikationslosen Heilung.
- Schleimstoffe wirken reiz- und schmerzmildernd, hemmen Juckreiz und Entzündungen und können Wärme gut speichern.
- Gerbstoffe wirken zusammenziehend und unterstützen so die Wundheilung.
- Kieselsäure festigt das Gewebe.
- Rosmarinsäure wirkt antiviral, antibakteriell und entzündungshemmend.
- Beinwell enthält Pyrrolizidinalkaloide. Das sind bitter schmeckende Stoffe, die die Pflanzen produzieren, um sich vor Verbiss zu schützen. Bei Wirbeltieren, zu denen auch die Menschen gezählt werden, können sie die Leber schädigen. Der größte Anteil an Pyrrolizidinalkaloiden findet sich in der Wurzel. Pyrrolizidinalkaloide werden nur bei innerer Anwendung vom Körper aufgenommen, nicht bei der Anwendung über die intakte Haut. Auf offene Wunden sollte daher kein Beinwellpräparat aufgetragen werden, da dann Stoffe über den Blutkreislauf in den Körper gelangen. Die standartisierten Fertigpräparate aus der Apotheke werden aus speziell gezüchteten Beinwellarten zubereitet, die keine Pyrrolizidinalkaloide enthalten.
Wie wird Beinwell eingesetzt?
Am gebräuchlichsten ist der äußerliche Einsatz von Beinwellsalbe. Diese kann selbst hergestellt werden, hier gibt es eine allgemeine Anleitung zum Salbenrühren. Oder man kauft sie als Fertigpräparat in der Apotheke. Zu Fertigpräparaten aus der Apotheke wird häufig geraten, um das Risiko der Aufnahme von Pyrrolizidinalkaloiden zu umgehen.
Selbst hergestellte Beinwellsalbe darf nicht in einem Metallgefäß aufbewahrt werden, da das Allantoin dadurch abgebaut wird!
Bewährt ist auch die Beinwellauflage, entweder aus der frischen geriebenen oder zerstoßenen Wurzel oder aus getrockneter pulverisierter, mit Wasser angerührter Wurzel
Reibt man die frische Wurzel ist es interessant zu beobachten, wie die Wurzelstücke durch den hohen Schleimgehalt zusammenkleben. Wer ein Faible für die Signaturenlehre hat, kann hier die Analogie zum Zusammenwachsen bzw. dem Zusammenhalt von Knochengewebe erkennen .
Auch die Blätter können z.B. mit einem Wellholz gequetscht werden und auf schmerzende Gelenke oder geschlossene Wunden gelegt werden.
Ebenso kann eine Tinktur hergestellt werden. Verdünnt kann sie für Umschläge und Wickel verwendet werden. Auch zur Salbenherstellung kann die Tinktur verwendet werden, allerdings sollte der flüssige Anteil bei der Salbenherstellung 10 % nicht übersteigen, da andernfalls die Haltbarkeit nicht mehr gewährleistet wäre.
Für die Anwendung im Mundraum gibt es Fertigpräparate.
Homöopathie
In der Homöopathie wird die Wurzel des Beinwells verwendet, die vor der Blüte ausgegraben wird.
Einsatzgebiete von Symphytum sind: Verletzung von Knochen und Knochenhaut, die Bildung von Ersatzknochengewebe (Callus) wird angeregt. Auch bei komplizierten Brüchen, bei Verletzung von Knorpelgewebe oder bei Schmerzen im Amputationsgebiet nach einer Amputation wirkt Symphytum unterstützend. Schmerzen der Knochenhaut nachdem die Knochen nach einem Bruch wieder zusammengewachsen sind, sind eine weitere Indikation für Syphytum. Typisch sind stechende Schmerzen.
Bewährt hat sich auch der Einsatz von Symphytum bei Verletzungen des Auges durch einen stumpfen Gegenstand wie z.B. ein Schneeball.
Die bekannte Homöopathin Michal Yakir weist auf die Sensibilität und die Angst, verletzt zu werden, als Symptome bei Symphytum hin. Sorgen, Pflichtgefühl und die Angst, seine Pflicht vernachlässigt zu haben können sich zeigen. Eine Reaktion darauf kann Rückzug sein und das Gefühl, zu zerbrechen.
Astromedizin
Beinwell wird Saturn zugeordnet. Hinweise darauf sind seine Eigenschaften: zusammenziehend, zusammenhaltend, verhärtend. Seine rauen spitzen Blätter weisen auf Saturn hin, ebenso die Blüten, die nach unten weisen und sich nicht zur Sonne öffnen. Das Knochengerüst wird Saturn zugeordnet und das ist einer der wichtigen Bereiche der Heilwirkung von Beinwell.
Wilde Küche
Beinwell war ein fester Bestandteil der Wilden Küche. Die Blätter wurden zum Beispiel als Gemüse und im Salat verarbeitet oder in Backteig ausgebacken. Dann wurde man auf die Pyrrolizidinalkaloide und die potentielle Leberschädigung dadurch aufmerksam und etliche altbewährte Heilkräuter, auch beispielsweise Huflattich, gerieten in Verruf.
Manche Kräuterkundige sehen keine Gefahr in den kleinen Mengen, die man durch seltenes Essen von Beinwellblättern zu sich nimmt und weisen auf den Nutzen z.B. für Knochen und Zähne hin, andere raten strikt davon ab. Wer auf Nummer sichergehen will, lässt die Finger von der inneren Anwendung. Standartisierte Fertigpräparate aus der Apotheke zur äußerlichen Anwendung sind jedoch ohne Einschränkung zu empfehlen.
Was ist noch wissenswert?
Im Naturgarten kann Beinwell zur Pflanzenstärkung eingesetzt werden. Dafür wird eine Jauche angesetzt, die mit Brennessel gemischt werden kann. Auch als Mulchmaterial eignen sich die großen Blätter des Beinwells hervorragend. Die Blätter sind reich an Stickstoff und Kalium und besonders Tomaten und Kartoffeln profitieren davon.
Achtung: Neben- oder Wechselwirkungen!
Beinwell enthält Pyrrolizidinalkaloide. Es wird empfohlen, nur standartisierte Fertigprodukte zu verwenden, bei denen gewährleistet ist, dass sie keine Pyrrolizidinalkaloide enthalten.
Gegenanzeigen:
Zu der Wirkung auf Schwangere, Stillende und Kinder unter 2 Jahren liegen keine Daten vor, die Anwendung wird daher nicht empfohlen.